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Thema Mitternachtsnotare
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Zum Thema ('Mitternachts-')Notare möchte ich zusammenfassend folgende Aspekte kurz erörtern:

Aufgrund des herrschenden notariellen Beurkundungszwangs bei Immobiliengeschäften wurde dieses Argument seitens des Vermittlers gerne dazu herangezogen, die Seriosität des Geschäftes sogar zu unterstreichen (vornehmlich dann, wenn der Kunde Zweifel bekam und Rückfragen gewisser Bedenken äußerte). Es habe doch alles seine vorgeschriebene Ordnung, oder sollte man annehmen, daß ein Notar ... das könne der sich doch gar nicht leisten, da wäre er gleich weg vom Fenster ... (weit gefehlt!)

Zu diesem Argument zur Erzeugung des Scheins der Seriosität gesellte sich ja auch das, es handele sich um eine 'bankgeprüfte' Immobilie. (Daß für die Einwertung zu zahlende Gebühren anfielen, dafür hatte der Kunde sogar Verständnis, da ja jede Banktätigkeit etwas kostet. Daß die Einwertung mancherorts noch nicht einmal stattgefunden hatte, aber dennoch in Rechnung gestellt wurde, steht auf einem noch ganz anderen Blatt.)

Das System war (und ist!) also von Anfang an so aufgebaut, auf mehreren Säulen geschultert zu sein, deren Verzahnung untereinander der unbedarfte, bewußt unerfahrene Kunde nicht ahnen, erst recht nicht durchschauen konnte. Insofern ist auch das Argument ihm gegenüber blanker Hohn, er hätte 'halt fragen sollen' - tja, wonach soll man denn fragen, wenn man gar nicht weiß, wonach man fragen könnte? Die Haustürsituation mit dem Vermittler war durch letzteren bewußt in einer sehr vertrauensvollen Atmosphäre gehalten, vielleicht hatte er den Kunden gerade im Restaurant zum Essen eingeladen, Superlative beherrschten seine Sprache und ständig aufgesetztes Lächeln tat ein übriges. Zudem war er ja von einer wirklich nahestehenden oder zumindest gut bekannten Person empfohlen worden, die zuvor mit seiner Hilfe angeblich auch ein 'Schnäppchen' machen konnte - was sollte also schiefgehen?

Zurück zum Notar: Es wurde dem Kunden natürlich auch falls nötig die Angst vor einem solchen Amtstermin genommen, mit Hinweis auf den eben vorgeschriebenen Gang der Bürokratie (reine 'Formsache' - wie wahr, aber mit welchen weitreichenden juristischen Folgen!) und eines schon angekündigt leider nicht zu verhindernden Papierkrieges. Deshalb bot der Vermittler ja auch freundlich an, die später zu erwartende, folgende Papierflut bewältigen zu helfen und dem Kunden das Anlegen der Aktenordner mit vielen Trennblättern für die einzelnen Rubriken zu erleichtern. (Auch bei diesem 'Angebot' blieb es meist, nichts als heiße Luft, um in falsche Sicherheit, ja sogar bis hin zur Dankbarkeit zu wiegen.)

Nun hätte der Notar die Pflicht gehabt, seines Amtes zu walten, denn sonst erübrigt sich ja diese zusätzliche Kosten verursachende Schaltstelle, die halt nun mal vorgeschrieben ist. Warum ist sie vorgeschrieben, was soll denn die Beurkundung mit vorgelesenem Genuschel (und womöglich Weglassen wichtiger, hellhörig machender Passagen??) bezwecken? Warum kann man nicht einfach eine Immobilie wie ein Auto kaufen? Offensichtlich ist es bedeutsam, was bei dem Notartermin stattfindet - zumindest stattzufinden hat. Die Bundesnotarkammer wie auch die Landesnotarkammer Bayern haben zu verschiedenen Zeiten, zumindest schon seit den 80er Jahren, Rundschreiben an alle Notariate versandt, in denen sie die Bedeutung zu beurkundender Immobilienerwerbsgeschäfte bei Bauherren- und Erwerbermodellen mit dem Pflichtenkreis der Notare dargelegt haben. Auch eine Warnfunktion, an Geschäften des Grauen Kapitalmarktes eben nicht mitzuwirken, hatten diese Rundschreiben. Indes wissen wir, es gab genügend Notare, die das jeweilige Rundschreiben zur Kenntnis nahmen (oder auch nicht) und wieder zu ihrer Lieblingsbeschäftigung übergingen: Beurkundungen am Fließband mit sicherlich lukrativeren Einnahmen als den nach außen dargelegten, die sie in einer Gebührenrechnung dem Erwerber ganz offiziell auftrugen. Die bei dem Deal geflossenen Innenprovisionen auch in Richtung des willfährigen Notars, der auch zu unkonventionellen Zeiten zu Diensten steht und nicht lange rückfragt
(das würde ja den Ablauf stören), werden natürlich nicht offengelegt und treten allenfalls ungewollt per Zufall zutage. Daher der schon vor vielen Jahren aufgekommene Sammelbegriff des 'Mitternachtsnotars'.

Wäre der Notar die letzte Warnung für den Erwerber gewesen, um diesen aus seinem Eingelulltsein gerade noch aufzuwecken und ihm zu einer klaren Sichtweise zu verhelfen, daß er offensichtlich mit einer schicksalhaften Unterschrift gerade im Begriff ist, den größten Fehler seines Lebens zu machen, wäre er die längste Zeit 'Mitternachtsnotar' als Partner des Vertrieblers gewesen. Den hätte der Vermittler beim nächsten Mal einfach
nicht mehr ausgesucht, die Zusatzverdienste wären dann auch ausgeblieben. Nun, wer stellt da schon die Geschäftsethik höher als die eigene Geldgier? (Obwohl es das wirklich vereinzelt gegeben hat.)

Es ist somit erkennbar: Der Erwerber hat alles vordiktiert bekommen: Er konnte sich weder das Objekt, die finanzierende Bank, den Notar noch den Treuhänder und Verwalter aussuchen und vorher erst alles prüfen. Nur zahlten durfte, ja mußte er. Und seine Unterschrift war ausdrücklich "unwiderruflich"(!) und er hat sich gleich vorsorglich der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes privates Vermögen unterworfen. Diesem üblen Spiel sieht die Regierung nicht nur heute noch zu, sie läßt solcherart ruinöse Geschäfte auch weiterhin gewähren. Jüngste Werbeannoncen wie gestern über die infoline zur Verfügung gestellt, geschaltet von freien 'Finanzdienstleistern' und aber auch Banken, haben dies einmal mehr klar gezeigt. Die Masche läuft immer noch, schon seit den 70er Jahren.

Da also diejenigen Notare, die bei dieserart Betrugsgeschäften entscheidend mitwirken und sie somit letztlich erst ermöglichen (da nicht wirksam verhindern helfen; denn man müßte es ihnen zuschreiben, daß sie wissen was sie tun), nicht ihrer Aufklärungspflicht genügen, stellen sie nur eine weitere kostenpflichtige Alibifunktion dar im Räderwerk des organisierten, legalisierten Massenbetruges beim Vertrieb von Steuersparmodellen. Eine ebensolche Alibifunktion ist die "Abkühlungsphase" von 14 Tagen Bedenkzeit, innerhalb derer ein Ersterwerber auch nicht ermessen kann, wie das Geschäft läuft, wenn doch häufig weitere Vertragswerke in dem ganzen Sammelsurium bewußt erst Monate später nach Zeichnung geschlossen werden. Ein Witz! Nicht wenige konnten sogar erst Jahre nach dem Abschluß ahnen und gewannen denn auch die traurige Gewißheit, daß sie einem perfiden, vorsätzlich durchgezogenen System mehrerer sich zuarbeitender Beteiligter aufgesessen sind, einschließlich dem Staat, der ja die Immobilie noch 'steuerlich gefördert' und solche Vertriebskonstruktionen gebilligt hat. Auch das Attribut "staatlich gefördert" war ein bewußt eingesetztes bei den akquisitorischen Kontaktgesprächen, oft noch zusätzlich unter Hinweis auf das damalige 936,-- DM-Gesetz. Passend zur gewollten Klientel der einfachen Arbeiter und Angestellten, die dieses Gesetz ja ohnehin schon nutzten.

Hinterher ist es immer einfach, wenn der eine dem anderen die Verantwortung und Schuld zuzuschieben versucht, wohingegen ein solches Ausweichen nicht gut möglich wäre, wenn es nur einen einzigen Vertragspartner gegenüber dem Erwerber gäbe. Und da alle natürlich nicht schuld sind und nur im Rahmen der "legalen"(!) Möglichkeiten gehandelt haben, fällt die Schuld schließlich auch noch dem Erwerber selbst zu. Nach Selbstvorwürfen, wie er nur so töricht sein konnte, sagen's ihm nun auch andere auf den Kopf zu, bis er's selber glaubt und davon überzeugt ist. Daher mag rühren, warum die Dunkelziffer ganz sicher weitaus höher ist als die oft zitierte Zahl von 300.000 registrierten Fällen. Und ebenso mag daher kommen, daß sich die Leute noch immer zieren, sich ebenfalls als Betrugsopfer zu outen oder gar demonstrativ und solidarisch-kämpferisch gegen ein solches Finanz- und Wirtschaftssystem auf die Straße zu gehen. Für manch einen war die Last und gefühlte Schande sogar so groß, daß er den Freitod als letzten Ausweg wählte, eine Entwicklung, in die andere ihn gedrängt haben, in die er nicht wirklich aus freiem Willen wollte. Vielleicht wurde noch versucht, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die mittels tollen Winkelzügen versagt blieb, und ein weiterer Schuldenberg an Gerichts- und RA-Kosten türmte sich noch dazu. Positiv ausgegangene Urteile sind ja nur die seltene Ausnahme und teils noch nicht einmal rechtskräftig. Der bankophile BGH-Senat achtet schon drauf, daß da nichts im großen Stil anbrennt. Am Ende dann also eine solche Kurzschlußreaktion wie der Suizid - was wäre denn die Alternative gewesen? Als Sozialhilfeempfänger den Rest seines Lebens unter unwürdigen Bedingungen zu fristen? Gar selbst kriminell zu werden, nur um des eigenen Überlebens willen? (Frage an die RAe: Ist das dann eigentlich Notwehr?)

Also, ein Notar, der eine solche potentielle Entwicklung, da für ihn einschätzbar, nicht unter Einsatz seiner Berufspflichten mit allem Engagement zu verhindern hilft (weil auch ihm das Hemd doch näher ist als die Jacke), macht sich ebenso schuldig im Sinne einer Pflichtverletzung wie der Vermittler für seinen Teil und die Bank für den ihren. Alle machen mit, auf nur eine einzige Partei als Gegenüber einzuhauen (AUA-Methode = Anhauen - Umhauen - Abhauen). Das ist das Perfide, Feige an dem Ganzen, und die Justiz sieht im wesentlichen noch immer billigend zu. Man unterschätze aber nicht, daß das aus der Natur der Sache heraus nicht immer so weitergehen wird. Der Widerstand formiert sich dank des Mediums Internet zusehends, und für Banken dürften die fetten Jahre auch für lange Zeit erstmal vorbei sein. Wann macht nun die Justiz endlich gründlich und umfänglich ihre Hausaufgaben und sieht nicht länger angestrengt weg?

(Beachten Sie zu diesem Themenumfeld bitte auch die Sendung ZDF-Frontal21 am 18.02.03 um 21 Uhr.)

Entgegen der Ankündigung wurde der Beitrag leider bis heute (30.05.03) - trotz der längst weggefallenen Aktualität des über Wochen herrschenden Dauerthemas Irak-Krieg, was ja verständlich und geboten war - noch nicht gesendet. Es liegt auch trotz Nachfragens keine Antwort für einen neuerlichen vorgesehenen Sendetermin vor. Ein Schelm, der Böses dabei denkt?!

Mit freundlichem Gruß
L.B. Werner
(Vors. des SVD)

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