Vom Schnäppchen in den Schuldensumpf
Sechsstellige Summen in den Sand gesetzt: Sarstedter sieht sich als Opfer eines unseriösen Immobilien-Geschäftes
Sarstedt (tw). Der Notar kam am späten Abend. Alles sollte ganz schnell gehen. Der Sarstedter Michael Kowalski setzte seine Unterschrift unter den Vertrag. Damit war die Eigentumswohnung in Hameln gekauft, zum Preis von 216 000 Mark. Die Belastung war nicht von Pappe, rund 1125 Mark Darlehnszinsen soilte Kowalski pro Monat zahlen. Doch der Sarstedter war überzeugt, dass er ein seriöses Schnäppchen gemacht hatte. Der Wohnungskauf würde ihm neben der Miete auch eine Steuerersparnis einbringen. Beides zusarnmen würden die Zinsen fast abdecken. Die Tilgung sollte langfristig über Bausparverträge laufen.

Das war 1994. Heute, sechs Jahre später, ist Kowalski schlauer und verbittert. Heute weiß er: Es war wohl kein Zufall, dass der Notar zu nächtllcher Stunde kam. Denn so seriös, wie es auf den ersten Blick schien, war das ganze Geschäft anscheinend nicht. Heute kennt Kowalski den wahren Wert der Immobilie: laut Versicherungspolice etwa 139 000 Mark. Der Mietfluss ist versiegt. Von anfänglich 636 Mark schrumpften die monatlichen Einnahmen im Frühjahr auf 183 Mark. In der Anlage in Hameln stünden viele Wohnungen leer, begründen die Vertriebsfirma Heinen & Biege aus Dortmund und der angeschlossene Mietpool diese Entwicklung. Mittlerweile bekommt Kowalski gar keine Miete mehr. Die Firma steuert auf die Pleite zu, ein Insolvenzverwalter aus Düsseldorf hat das Ruder übernommen. Kowalski weiß nicht, wie es weitergehen soll.

Heute weiß er zurnindest, dass es vielen anderen Anlegern ähnlich gegangen ist. In der Göttinger Stadthalle traf er kürzlich 1200 andere Betroffene. Sie hatten sich alle auf ähnliche Steuersparmodelle eingelassen, viele hatten ein Vielfaches des wahren Wertes der Immobilie gezahit. Nun rüsten sie sich für den Widerstand gegen Banken und Vertriebsfirmen. Zusammen mit dem Göttinger Rechtsanwalt Reiner Füllmich, 60 weiteren Anwaltskanzleien in ganz Deutschland und dem Schutzverband für Verbraucher und Dienstleistungsnehmer (SVD). Auch Kowalski ist Mitglied des Vereins. Im Aufnahrnefragebogen musste er unter Punkt 13 auch folgende Frage beantworten: ,,Haben Sie an Selbstmord gedacht?” Die Frage liegt nahe. ,,Einige Teilnehmer des Treffens in Gottingen waren total verzweifelt, weil sie nun bis über beide Ohren verschuldet sind”, erzählt Kowalski. Nach Angaben seines Anwaltes sind etwa 40 Prozent der betroffenen Mandanten zahlungsunfähig. Auch im Raum Hildesheim ist Kowalski nicht der einzige verärgerte Anleger. Auf die Eigentumswohnungen in Hameln hat sich eine ganze Reihe von Anlegern eingelassen, darunter auch Wilfried Jeroske aus Harsum. Er sieht sich als Opfer einer ausgeklügelten Masche. Das traurige Kapital-Kapitel sieht bei dem Sarstedter und dem Harsumer recht ahnlich aus: Beide wurden von einem Bekannten angesprochen, der ihnen einen verlockenden Vorschlag machte:

Die Steuerspar-Immobilie erschien als sicherer Eigentum-Erwerb. Der Vermittler erklärte alles recht plausibel auch die Tatsache, dass alles schnell gehen musste, weil die Rahmenbedingungen angeblich gerade so günstig waren. Und so schöpften weder Kowalski noch Jeroske Verdacht, als ein ,,Mitternachtsnotar”, nach Darstellung des Schutzverbandes ein wichtiger Helfer, das Geschäft fix beurkundete.

Die Finanzierung übernahm die Badenia Bausparkasse in Karlsruhe, den Vertrieb die Heinen & Biege-Gruppe in Dortmund. Die Abrechnung der Mieten lief wiederum über einen angegliederten Mietpool, für die Hausverwaltung ist eine Gesellschait in Braunschweig zuständig. Im Geflecht dieser Firmen sahen die beiden Anleger aus dem Raum Hildesheim ihr Geld versickern.

Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, das verlorene Geld zurückzubekommen. Wilfried Jeroske will es über eine Zivilklage versuchen, Michael Kowalski.setzt auf Musterklagen seines Anwaltes in Göttingen. Dieser will die Banken durch eine Reihe von Musterverfahren an deutschen Landgerichten zu Vergleichen drängen. Das Oberlandesgericht Hamrn hat inzwischen entschieden, dass Preise beim Immobilienkauf nicht krass überhöht sein dürfen (AZ: 22 U 5/97). Nach einem Urteil des Thüringer Oberlandesgerichtes muss die Bank außerdem darauf hinweisen, wenn der Wert der Wohnung deutlich unter dem Kaufpreis liegt (5 U 1288/98).

Der Sarstedter Michael Kowalski geht in die Offensive: Auf einem Plakat im Fenster seines Autos nennt er die Namen aller Beteiligten, die ihn nach seiner Meinung mit einem Immobiliengeschäft über den Tisch gezogen haben.
Foto: Wedig